Einmal Gardasee und zurück

 

Es gibt Sachen die wären ohne Corona so vermutlich nicht möglich. Ich persönlich hatte bereits zweimal das Vergnügen von der bayerischen Heimat aus an den Gardasee radeln zu dürfen. Nachdem es im letzten Jahr in einer ähnlichen Aktion nach Dresden ging, stand für dieses Jahr der Lago wieder auf dem Programm. In dem Moment, in dem abzusehen war, dass Reisen wieder möglich sein wird verkündete ich in einer Rundmail mein Vorhaben. Tatsächlich kamen Meldungen zurück, wobei nicht alle Interessenten an dem geplanten Termin am zweiten Juliwochenende Zeit hatten.  Die WhatsApp Gruppe „Lago wir kommen“ wurde erstellt.

Zu viert wollten wir es also angehen, das Abenteuer Lago di Garda an einem Tag, man könnte auch Alpenüberquerung an einem Tag dazu sagen. Als sich dann der Wetterbericht im Radio dazu hinreißen ließ, für die gesamte Woche ein Bombenwetter vorherzusagen, überraschte ich meine Mitfahrer am Sonntag mit dem Vorschlag gleich an diesem Donnerstag, dem 25.06. zu starten. So kam es, dass sich unsere Truppe auf sechs Radler vergrößerte, der letzte kam erst am Mittwoch dazu.

So trafen sich Alex, Mona, Klemens, Peter, Stefan und ich um 19:00 Uhr in Erding um unsere „Reise durch die Nacht“ zu starten. Über Aying, da gab es den erste Espresso für alle, und Warngau ging es an den Tegernsee, wo die erste Pause anstand. Da es mittlerweile 23:00 Uhr war ist die Auswahl an geeigneten Lokalitäten eher beschränkt. Unsere Wahl viel also auf Mc Donalds, bei dem für alle Geschmäcker was zu finden war. Nach erfolgter Stärkung machten wir uns auf den einsamen Weg zum Achenpass und weiter am gleichnamigen See vorbei, hinab ins Inntal. Bisher hielt das Wetter, das am Tag vor unserer Abfahrt noch für einiges Kopfzerbrechen sorgte, denn die Eindeutigkeit mit dem im Radio das Hoch angekündigt wurde, war in der aktuellen Prognose nicht mehr vorhanden. Das Gewitter am Tegernsee, war offensichtlich schon am Abend, denn die Straßen waren zum Teil noch feucht. 

Die Inntalbundesstraße, der wir bis Innsbruck folgten, hatten wir quasi für uns allein. Nur in der einen oder andern Ortsdurchfahrt sahen wir noch Leute auf der Straße, in Schwaz jubelten uns Partyheimkehrer zu.

Landjäger, Laugenstange und ein Spezi, das war meine Wahl an einer 24-h Tankstelle in Innsbruck. Das ist doch um drei Uhr in der Früh eine gute Grundlage um anschließend den Brenner zu erklimmen. Langsam dämmerte es am Himmel, die ersten Vögel begannen zu zwitschern, was keine zehn Minuten später in einem Konzert aus Amsel, Drossel, Fink und Star mündete. Um viertel nach fünf war der Brenner erklommen, bei mittlerweile nur noch sieben Grad. Jetzt ging es hinab nach Sterzing, um von dort wieder aufzusteigen auf das gut 2.200 Meter hohe Penser Joch. Einfach so unten herum nach Bozen, das wollten wir nicht. Unsere Sechsergruppe, die bisher schön gemeinsam unterwegs war zerfiel nun. Jeder fuhr die 1.300 Höhenmeter so wie es für ihn richtig war. So richtig Tempo ist eh nicht möglich nach 250 Kilometer und  mit einer Sattelstützentasche die bis an die Kapazitätsgrenze von sechs Kilo  beladen ist. Die Temperatur blieb beständig einstellig, doch mit zunehmendem Aufstieg blitzte die Sonne langsam über die gegenüber liegenden Gipfel hervor, bis ca. 50 hm unter dem Gipfel  die Sonne vom Nebel verdeckt wurde. Schnell eine Jacke überziehen, warm halten.  Als wir zu fünft oben waren, entschieden wir zusätzlich zur geplanten Pause in Bozen gleich hier noch einen Stopp einzulegen und in der Gaststätte auf unseren sechsten Mann zu warten. Einen warmen Kaba und eine Schinkensemmel späten (was für eine üble Kombination) schwangen wir uns wieder auf unsere Räder und ließen es die 50 Kilometer hinab nach Bozen rollen. Wobei aufgrund des Gegenwinds von rollen nicht die Rede sein konnte, treten war angesagt.

In Bozen das zweite Frühstück, jetzt mit Espresso und Cornetto, angekommen in Italien. Noch ein wenig frisch machen, Brille gegen Linsen tauschen und ab ging die Post, auf dem Radweg Richtung Süden. Ich kannte die Strecke schon aus meinen beiden Gardaseefahrten, meine fünf Begleiter nicht. Es war mittlerweile Nachmittag, der Wind wehte beständig von vorne, die Strecke ist wenig abwechslungsreich, man wechselt immer wieder von der einen Seite der Etsch auf die andere. Kurzum, wir kamen nicht in der gewünschten Geschwindigkeit voran, die Moral sank und das Gefühl dass Rovereto, der Ort an dem man nach Westen Richtung Gardasee abzweigt, in immer weitere Entfernung rückt, machte sich langsam breit. Da wir aber alle wissen, dass sich Ortschaften selten weg bewegen, kam es irgendwann soweit, dass wir das Etschtal in Richtung Gardasee verließen. Um kurz vor 16 Uhr hatten wir ihn im Blick, den Gardasee. Kaum waren die ersten von uns in den See gesprungen wurde die WhatsApp Gruppe in „Lago wir sind schon da“ umbenannt.

Wie kommen wir eigentlich wieder nach Hause? – diese Frage stellten wir uns beim Abendessen. Für mich war im Vorfeld klar, per Fahrrad. Eigentlich ging ich davon aus, dass die anderen dies auch so sahen. Das Transportangebot meiner Frau, das für das ursprüngliche Wochenende bestand hatte ich mit der Verlegung des Termins ja aufgegeben. Clemens war der einzige, der sich die Rückfahrtfrage nicht stellen musste. Seine Frau war in den Marken und fuhr am Samstag zurück in die Heimat, inclusive ihrem Mann. Noch beim Essen wurde versucht ein Shuttle zu organisieren, vergeblich, keine Plätze frei, oder keine Fahrer zur Verfügung oder sonst welche Hinderungsgründe. Also wurde auf Zug umgeschwenkt. Den wollte ich auf keinen Fall. Nicht wissen ob man mitkommt, wie weit die Reise geht und welche coronatechnischen Unannehmlichkeiten auf einen warteten, das wollte ich mir nicht vorstellen. Ich bleib also bei meinem Plan, am Samstag bis Sterzing zu radeln.

Noch als ich vom Frühstück aufstand um meine sieben Sachen zu packen, war für mich klar, drei von uns fahren nach Rovereto zum Zug und Peter und ich werden uns über den Monte Bondone Richtung Trient begeben um anschließend den Radweg nach Norden zu nehmen.

Doch ersten kommt es anders, zweitens als man denkt. In meiner Abwesenheit hatten die anderen beschlossen, die Rückreise ebenfalls per Rad anzutreten. Allerdings nicht über den Monte Bondone, sondern via Lago di Tenno und Lago di Molveno zurück ins Etschtal, auf den ungeliebten Radweg. Minimumziel für heute sollte (für die anderen) Bozen sein.

Wie sich Tage unterscheiden können. Gestern noch gegen den Wind ankämpfend, heute mit Rückenwind Bozen entgegen. So kamen wir rasch voran und waren um 15 Uhr schon fast mit unserer Pause in Bozen fertig. Da war dann auch klar, dass das heutige Ziel eher Sterzing als Bozen heißen wird. Unsere Zimmer wollten wir aber noch nicht buchen, denn die Wettervorhersage  war immer noch auf leicht gewittrig und so hielten wir uns die Option offen heute ein paar Kilometer früher Schluss zu machen.

Den Brenner zum Frühstück gab es dann am Sonntag. Vor zwei Tagen hätte ich keinen Cent darauf gesetzt, dass wir an diesem letzten Tag unseres Ausfluges noch gemeinsam auf dem Rad sitzen würden. Doch so kurbelten wir unsere letzten Meter auf italienischem Boden, bevor wir in Matrei auf die alte Römerstraße abbogen. Nach der Abfahrt, in der wir Peter verloren hatten, fuhren wir die ersten Kilometer bis Schwaz auf dem Radweg, um dann auf die Bundesstraße auszuweichen. Wir wollten Strecke machen, zügig vorankommen,  vor den prognostizierten Gewittern an unserem Ziel, dem Winklstüberl ankommen. Erst in Kufstein gabelten wir Peter wieder auf. Voller Elan ging es über Thiersee hinauf zum Urprungpass um dann, vorbei an Bayerischzell die letzten Kilometer bis ins Cafe zurückzulegen. Mit einem gewissen Stolz über das Vollbrachte machen wir uns über Kuchen, Nudeln, Kaffee, Radler, Schorlen und alles Sonstige her. Immerhin haben wir an einem verlängerten Wochenende die Alpen zweimal überquert. Die WhatsApp Gruppe hat auch schon wieder einen neuen Namen bekommen „Lago 2021“ – so schnell kann man Leid und Schmerz verdrängen – eine Rennradlereigenschaft?

Wir sehen uns – am Lago 2021, euer Oliver

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